Thomas  Werk

 

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G e d I c h t e

 

Von Hand zu Hand.
Zunge an Zunge.
Schritt um Schritt.

Von Flügel zu Flügel.
Schrei in der Luft.
Vor dem Donner.

Vom Meer zur Quelle.
Durch das Land.
Zum Berg.

Vom Feuer zum Rauch.
Flammen im Dunkel.
Wasser darauf.

Von Schnee zu Regen.
Am Boden.
Auf dem Gras.

Von der Nacht zum Tag.
Von Morgen zu Morgen.
Vom Kommen zum Gehen.

...

Es ist erfüllt,
es ist Nacht,
sage Ja.

Leere Hand
und leere Hand
zusammen.

Die ganze Zeit
und die Stille
dazwischen.

So lange wie Wasser
geht vom Berg
ans Meer.

Kein Weg,
den wir kennen
und zurückfinden.

...

Öffne den Mund,
als ob du den Kuß
wie Nahrung empfängst;
an kalten Tagen
die wärmende Suppe.

...

Durch den Regen komm,
durch den kalten Regen;
höre auf und sprich
nicht mehr davon,
daß es zu Ende geht.

Wir sind besiegt und
haben viel verloren;
am Ende des Sommers
werden wirr die Blätter
und liegen am Boden.

Durch den Regen komm,
durch den kalten Regen;
wir sind Gefangene und
können nicht mehr wählen,
ob wir bleiben oder gehen.

Was wir wissen und
was wir nicht wissen
und was wir finden und
nicht sehen können,
es kann uns nicht helfen.

Durch den Regen komm,
durch den kalten Regen;
das Wasser von oben und
das Wasser von unten,
es wird uns nicht treffen.

...

Warum willst du so ganz vergessen,
alles zerreißen und zerbrechen,
daß da nichts mehr ist,
daß erinnert an dich und an mich?

Warum willst du so ganz vergessen
und wir erkennen und vermissen,
was nicht mehr kommen kann,
nicht damals und nicht jetzt danach?

Warum willst du so ganz vergessen
und nichts hinterlassen?

Warum willst du so ganz vergessen,
ist denn alles erloschen
und vergeblich und verloren,
dunkel und verlassen?

Warum willst du so ganz vergessen
und kannst nicht – schlafen?

...

Kaum,
oder so unmerklich
wie Schnee sich häuft,
rede ich eigentlich
in Gedanken nur mit dir.

...

Die Vögel
sind lauter,
als du und ich.

...

Noch nicht getrocknet
in der heißen Sommernacht
das Regenwasser ist.

Noch nicht entfernt
der Trommelschlag
des Donners.

Die Blitze zeichnen die
Geweihe eines Rudels
Hirsche in die Luft.

...

Das erschreckte
Kreisen
der Tiere
um`s Licht.
Mehr aus
der Dunkelheit
heraus
kann man
nicht!

...

Die Vögel haben
die Stadt verlassen.
In den Zimmern
wird es kühl.

...

Vor den Augen schießen die Schneeflocken
wild vorüber, doch sieht man in den Himmel
hinauf, wundert man sich über die Langsamkeit
mit der sie in einiger Höhe über den Menschen
schweben. Fast ist es wie ein Klagelied, ehe
sie in den geschäftigen Strom der Stadt gerissen werden.
Ist es nun, daß der erwärmte Atem der Menschen
ihr Sinken beschleunigt oder stürzen sie mit
Überzeugung in einen schnellen, unbeachteten
Tod?
Ich glaube indessen weiter daran, ihr Zerschellen
auf dem Asphalt gesehen zu haben.

...

Die Straßen der Stadt,
das geknüpfte Netz
einer trägen,
aber wahnsinnigen Spinne.

...

Heute fiel ein Regen mit leichten Tropfen,
aber so dicht, daß es in den Straßen
dunkler wurde. Innerhalb weniger Minuten
drang die Nässe durch die Kleidung.
Der matte Himmel war wie eine niedrige
Zimmerdecke und aus einheitlichem Grau.
Im Unabänderlichen des so ruhig
herabkommenden Regens und der Vielzahl
ihre Wege einander kreuzender Menschen,
überwog deutlich die Stille der
aufschlagenden Regentropfen, trotz
der Schritte und des Verkehrs.

...

Ein paar Schneeflocken blieben
noch an der Jacke. Kaum habe ich
die Schuhe von den Füßen gezogen,
tropft das Wasser von den Ärmeln.
Ich schalte das Licht aus, um in
der Dunkelheit das Aufschlagen
mitzuzählen.
Ich erhoffe mir von dieser Rechnung
eine magische Lösung, eine Art
Wanderstab, der einem Blinden
den Weg weist.
Und der bekannt dafür ist, noch
nach Jahrhunderten an Orte
einstiger Liebe zurückzufinden.

...

Wir können nicht länger hierbleiben,
laß uns das Notwendige holen
und erfüllen, was wir können
oder niederfallen und wieder aufrichten.


Komm, (mit mir),
wir werden nie mehr frei sein,
niemals aufhören
und an bestimmten Tagen
vollkommen schweigen.

...

Durch Berührung aber sind wir
der Wandlung fähig, uns langsamer
noch als Berge zu bewegen.


Beinah so, daß im völligen
Dunkel der Nacht die Grenzen
verschwinden.

...

Etwas anderes gibt es nicht,
sei entschlossen;
alle Seiten und alle Vorzeichen,
(die du ja kennst)
erreichen wir;
sei entschlossen,
Kostbares zu verwerfen,
(ich weiß, wovon ich spreche),
etwas anderes gibt es nicht,
sei entschlossen,
schätze die Sternmassen ab,
verschiebe das Licht in der Nacht,
gültige Gedanken ohne Worte,
Voraussetzung für die Sehkraft des Schnees
und auch Schwanken und Scheitern
im Beisein von Flüssen;
sei entschlossen,
etwas anderes gibt es nicht,
wer berührt,
erwartet keine Genauigkeit,
sei entschlossen,
etwas anderes gibt es nicht,
es wird dich niemals verlassen
und sich niemals erfüllen;
sei entschlossen,
etwas anderes gibt es nicht!

...


Das Eis zerbricht unter Schuhen
heute Morgen, dann regnet es nur noch
und schon gegen Mittag läuft überall
das Wasser herunter.


Die Hände zu einer Schale gehalten,
gehe ich lautlos weiter und komme
damit zu dir zurück.
Manchmal Ja und manchmal Nein.

...

Liebe ist Unerreichbarkeit
und darum macht es auch nichts,
wenn wir in Unruhe beginnen
und mit Verlusten enden.

...

Jetzt ist es kalt.
Zieh warm dich noch einmal an.
Morgens, wenn es schneit,
verliert man den Verstand.
Die Wellen gehen unter,
der Kopf des Sturms
in die Kissen sinkt;
und vielleicht Träne, vielleicht Trost;
Schlag` die Decke noch einmal
über uns zusammen,
denn unter Wasser
ist man schwerelos.

...

Ich habe Jahre gewartet,
es war meine Arbeit,
ohne Routine und
nur eine Art zwischen
Morgen und Abend
zu unterscheiden.

...


Die Sonne
zwischen den
Ästen flimmert;
und wie in alter Zeit,
verschreckt,
verschwinden Tiere
im Gestrüpp.

....

Schöner
sterben
je;
und
träume,
immerfort
rauscht
die
zerrissene
See.

...

All der ganze Regen heute,
wo soll der bloß hin?
Als ob die Menschen
Schiffe wären, ausgestoßen
von des Himmels
breitem Hafenbecken Schoß.
So treibt`s sie umher,
denn zwischen zwei Meeren
weiß niemand wohin.

...

Es ist spät geworden
und wir sind hungrig.
Schneide Brot
für jeden ab.

Laß uns alles
aufessen,
Bissen um
Bissen.

Und danach,
wenn nichts
mehr übrig ist,
die Krumen.

Laß sie dir
aus meiner Hand
in deinen Mund
schütten.

...

Kalter, kalter Regen
in dieser Nacht -
Faden um Faden.

...

Abgefallene Blütenblätter
verstreut im nassen Gras -
kein Windstoß mehr.

...

Du bist da
und ich bin da
und liegen bleibt
der Schnee für eine Nacht.

Du bist da
und ich bin da
und wir bleiben hier
für diese Nacht.

Du bist da
und ich bin da
und wir sind
still danach.

...

Auszüge aus  " Die Hand im Fluß "
© Thomas Werk  ·  2000